Chefarzt Dr. Christopher Kirchhoff beim digitalen Alex-Talk am 7. September zu Schulproblemen.
Rund 15.000 Stunden oder durchschnittlich 14 Jahre verbringen Kinder und Jugendliche in der Schule. „Damit ist die Schule zweifelsohne ein wichtiger Lebens- und Lernort, der prägend für Lebens- und Erwerbsbiografien, aber auch für die Entwicklung der Persönlichkeit ist“, stellte Dr. Christopher Kirchhoff, Chefarzt der Alexianer-Don Bosco Klinik und Tagesklinik für Kinder-, Jugend- und Adoleszenzpsychiatrie, seinen Ausführungen voran.
Umso so wertvoller kann es für so manchen Schüler oder manche Schülerin sein, bei Problemen und Auffälligkeiten frühzeitig in alle Richtungen zu denken und unter Umständen auch einen Perspektivwechsel zu wagen. Im Gespräch mit WN-Redakteur Stefan Werding begab sich der Alexianer Kinder- und Jugendexperte beim jüngsten Alex-Talk daher auf eine Spurensuche bei schulischen Problemlagen und deren Entwicklung. Er betonte: „Der gemeinsame, interdisziplinäre Blick liegt mir dabei sehr am Herzen, denn jeder einzelne Baustein kann hilfreich sein“.
In der Schule selbst habe sich ein großer Kulturwandel vollzogen, hin zum inklusiven Lernen und zu mehr und individueller Zuwendung, was das Lernen insgesamt, aber auch die Anforderungen an die Lehrkräfte um einiges komplexer gemacht habe. „Und so erleben wir heute auch die Akteure in der Schule sehr viel aufmerksamer und sensibler, aber eben auch belasteter und manchmal überfordert in dem Bestreben, allen Herausforderungen einschließlich Corona gleichermaßen gerecht zu werden“, zollte Kirchhoff den Lehrkräften großen Respekt.
Er richtete seinen Blick daher vor allem auf die Kinder, die unbemerkt mitsamt ihrer Lernstörung, Auffälligkeit oder anderen Problematiken über viele Jahre „so durch die Schule durchfließen, aber dann doch irgendwann umkippen“, was eine frühzeitige und richtige Unterstützung in manchen Fällen eben verhindern könne. Ein Kind mit einer verborgenen Lernstörung, die Jahre vor sich hindämmere, mache zum Beispiel anfangs vielleicht „nur“ überwiegend negative schulische Erfahrungen, könne dadurch aber mehr und mehr labil werden und am Ende schließlich ernsthaft psychisch erkranken.
„Oft brauchen diese Kinder von uns Hilfe, in der Erkenntnis dessen, was sie eigentlich bedrückt. Wir können es dann in Worte fassen und das Problem schließlich gezielt anpacken“, betonte der erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater.
Wie wichtig sind außerschulische Auszeiten? Kann es auch ein Zuviel an Aufmerksamkeit für inklusive Kinder geben? Wie offen sollten Lehrkräfte bei Auffälligkeiten von Mitschülern mit der Klasse kommunizieren? Wie sieht ein Klinikalltag bei Ihnen aus? Oder teilen Sie den Eindruck einer zunehmenden „Abwehrhaltung“ gegenüber Eltern?
Diese und viele weitere Fragen erreichten den Experten von den Zuschauern und spiegelten die vielschichtige Realität im heutigen Schulalltag. „Die gründliche gemeinsame Spurensuche lohnt sich immer!“, zeigte sich der Alexianer-Experte abschließend überzeugt, dass letztlich das Kind von einer guten Zusammenarbeit aller Beteiligten immer nur profitieren könne.