Don Bosco meets Safewards - sichere Stationen schaffen
Anfang 2021 wurde das Safewards Modell in der Don Bosco Klinik und der Tagesklinik eingeführt. Es handelt sich um einen Lösungsansatz, der das Auftreten von Gewalt auf den Stationen reduzieren soll. Gleichzeitig trägt es dazu bei, eine wertschätzende und harmonische Atmosphäre zu schaffen, wodurch die Therapien unterstützt und die Resilienz gefördert wird.
Jede/r Patient/in sollte sich auf der Station sicher und wertgeschätzt fühlen, hierfür leistet das Konzept von Safewards einen wertvollen Beitrag.
Katharina Zündorf
Bei dem Safewards Modell handelt es sich um einen komplexen Ansatz, welcher das Ziel verfolgt, eine Eskalation der Anspannung auf den Stationen und bei den beteiligten Personen durch vorausschauende Konzeptionierung und Maßnahmen zu verhindern, wenn es zu zwischenmenschlichen klinischen oder erzieherischen Konfrontationen, Konflikten und psychischen Erregungszuständen kommen könnte.Indem das Modell dazu beiträgt, trotz zu erwartender spannungsvoller Ereignisse eine wertschätzende und harmonische Atmosphäre auf den Stationen zu schaffen und zu erhalten, wird eine Grundstimmung vorgehalten, in der trotz klinisch bedingter Anspannung der Patientinnen und Patienten krankheitsbewältigendes und personales Lernen und Resilienzentwicklung ermöglicht wird, durch Verhindern von Hochstress mit einhergehender Lernstörung, indem die hierzu notwendigen zwischenmenschlichen Beziehungen nicht durch übermäßige Aggressivität bis hin zur Gewalt belastet werden.
Gewalt als multifaktorielles Konstrukt tritt in allen lebensweltlichen Bereichen auf. In psychiatrischen Kliniken und vor allem auf Kinder- und Jugendstationen nimmt das Auftreten von Gewalt jedoch eine besondere Dynamik ein. Von Safewards wurden in diesem Zusammenhang sechs "Ursprungsfaktoren" für die Entstehung von Konflikten als besonders zentral erachtet. Diese Aspekte gelten als potentielle Krisenherde, gehören zum Stationsalltag und müssen im Rahmen der Interventionen reflektiert werden.
- Faktor 1: Die Patientengruppe
- Faktor 2: Die krankenhausexternen Faktoren
- Faktor 3: Die räumliche Umgebung
- Faktor 4: Die Patientencharakteristika
- Faktor 5: Die regulatorischen Rahmenbedingungen
- Faktor 6: Das Stationsteam
Ein 7. Faktor entsteht aufgrund der persönlichen Entwicklung als aufgezogene und erzogene Patientinnen und Patienten und die mit dem Alter einhergehende Erziehungsdelegation. Dabei kommt es für die Mitarbeitenden zu einem schmalen Grad im Umgang mit dem Kind zwischen dessen Motivation, sich auf etwas Neues einzulassen und dies mit Ausdauer einzuüben, und der empfundenen Belastung sich Fremdem anzuvertrauen und ggf. Früheres mit Schmerzen einhergehend loszulassen.
Um auf die Ursprungsfaktoren präventiv einwirken zu können, wurden im Rahmen des Safewards Modells zehn Interventionen definiert. Die einzelnen Maßnahmen zielen auf die Haltung der Mitarbeitenden und die Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten ab. Durch die Interventionen soll ein Orientierungsrahmen zum professionellen Handeln geschaffen werden, welcher weniger reglementierend und dafür mehr wertschätzend ist und die Transparenz erhöht. Zusätzlich zu den Interventionen von Safewards haben die Don Bosco Klinik und die Tagesklinik eine weitere Intervention entwickelt. Da die Interventionen ursprünglich nur im Erwachsenenbereich eingesetzt wurden, zielt die eigens entwickelte Intervention auf die Bedürfnisse sowie den Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen ab.
1. Klärung gegenseitiger Erwartungen
Bei einem komplexen Regelwerk werden diese von den Mitarbeitenden unterschiedlich ausgelegt und bieten somit immer wieder Potenzial für Konflikte. Zudem sind die besonderen Stationsregeln unvertraut. Daher werden im Vorhinein gemeinsam mit den Patienten/innen gegenseitige Erwartungen ausgesprochen und ausgehandelt, sodass eine verbindliche, verlässliche und bekannte Struktur im Stationsalltag entsteht. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass unsere jungen Patienten/innen noch nicht volljährig sind und ihrer Lebensphase entsprechend besondere Aufmerksamkeit und Schutz benötigen.
2. Verständnisvolle Kommunikation
Auf Bedürfnisse und Wünsche der Patienten/innen soll auch sprachlich eingegangen werden, sodass neben der Befriedigung und Erfüllung auch die Frustrationstoleranz wächst und Verzicht möglich wird angesichts institutioneller, zwischenmenschlicher und existentieller Begrenztheiten. Dabei soll im Alltag ein respektvoller und wertschätzender Umgang vorherrschen und aufrechterhalten werden. So kann Achtsamkeit und Respekt gewährleistet werden und die Patienten/innen fühlen sich in ihrem Erleben ernstgenommen.
3. Deeskalierende Kommunikation
Aussagen und Handlungen in den alltäglichen Abläufen können Konfrontationen und Konflikte provozieren. Die Mitarbeitenden werden daher gezielt geschult, wie Gesprächssituationen geführt werden können und wie Konflikte durch Worte entschärft und abgelenkt bzw. Lösungen gefunden werden können.
4. Positive/ wertschätzende Kommunikation
Um mehr Verständnis bei den Mitarbeitenden für das Verhalten unserer Patienten/innen zu entwickeln, soll im Rahmen der Übergabe mögliches Konfliktverhalten fachlich erklärt werden und zudem etwas Positives zu jedem/r Patienten/in formuliert werden, um eine ausschließliche Negativierung des Bildes über den Patienten zu verhindern.
5. Unterstützung bei unerfreulichen Nachrichten
Schlechte Nachrichten können verunsichern und Emotionen auslösen, die aufgefangen werden müssen. Daher wird die Übermittlung von für Patienten/innen vermeidlich schlechten Nachrichten, familiär und klinisch vorbedacht, schonend gestaltet und Gesprächs- und mögliche Lösungsansätze angeboten.
6. Gegenseitiges Kennenlernen
Mitarbeitende können die Akten des/der Patienten/innen lesen und sich bereits so ein Bild machen. Andersherum kennen die Patienten/innen die Mitarbeitenden nur in ihrer Rolle auf Station. Zur Stärkung der Beziehungsarbeit geben auch Mitarbeitende Informationen über sich preis und treten so aus ihrer Rolle heraus. So können sich Mitarbeitende und Patienten/innen vertrauensvoller begegnen, Gemeinsamkeiten entdecken und damit die Beziehungsarbeit und den Therapieverlauf stärken.
7. Gemeinsame Unterstützungskonferenz
Das Team und die Patientengruppe sollen sich als eine passagere Gemeinschaft verstehen, sich regelmäßig austauschen und sich dabei gegenseitig positiv begegnen. Dafür treffen sich Patienten/innen und das multiprofessionelle Team in regelmäßig festgelegten Sitzungen. Ohne Zwang und Druck erhalten alle Beteiligten die Möglichkeit sich in den Runden äußern zu können: der Danksagungsrunde, der Nachrichtenrunde, der Vorschlagsrunde und einer Wünsche- und Angebotsrunde.
8. Methoden zur Beruhigung
In Anspannungssituationen können bereits kleine Ablenkungen helfen, andere Reize zu setzen und sich so selber zu beruhigen. Daher ist auf jeder Station für alle Patienten/innen zugänglich, eine Kiste mit Material wie zum Beispiel Mandalas, Massagebällen oder Knete.
9. Sicherheit bieten
Gerade in einer fremden Umgebung, kann es immer wieder zu angstauslösenden oder ungewohnten Situationen für die Patienten/innen kommen. Diese sollten jeweils nachbesprochen werden, um wieder Sicherheit und Vertrauen zu schaffen.
10. Entlassnachrichten
Neue Patienten/innen wissen oft nicht was sie auf Station erwartet, sind unsicher und ängstlich, vielleicht auch skeptisch und wenig vertrauensvoll. Durch positive Botschaften bereits entlassener Patienten/innen sollen neue Patienten/innen Mut und Sicherheit für ihren Aufenthalt erhalten.
11. Autoritativer Erziehungsstil
Die Patienten/innen in unserer Klinik sind zum Großteil noch nicht volljährig bzw. leben nicht selbstständig und gelten damit als erziehungsbedürftig. Uneinheitliche Erziehungsstile verunsichern junge Heranwachsende. Durch einen einheitlich autoritativen Erziehungsstil soll die Entwicklung positiv gefördert und unterstützt werden. Dieser basale Erziehungsstil im Umgang mit den gesunden Anteilen wird ergänzt durch heilpädagogische, traumasensible, pädagogische, soziale und pflegerische Arbeit im Umgang mit den krankheitswertigen mentalen Zuständen und Vorgängen sowie den daraus hervorgehenden Verhaltensweisen.
Faktor 1: Die Patientengruppe
Auf jeder Station treffen Patienten und Patientinnen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern und Entwicklungsstadien aufeinander. Auch wenn sich jede und jeder auf die eigene Therapie fokussiert, wird der Alltag in der Klinik gemeinsam bewältigt, was mit Spannungen und Emotionen einhergeht.
Faktor 2: Die krankenhausexternen Faktoren
Trotz der stationären Unterbringung sind die Patienten und Patientinnen in ihrem sozialen Umfeld verankert und der Kontakt zu Familie und Freunden bleibt bestehen. Probleme dieses Umfeldes bleiben ebenfalls bestehen und die Patientinnen und Patenten sind sich der Rückkehr in ihr Lebensumfeld bewusst.
Faktor 3: Die räumliche Umgebung
Die Patientinnen und Patienten verbringen durch die Unterbringung einen Großteil ihres Aufenthaltes auf der Station. Die Ausstattung und Gestaltung der Räumlichkeiten spielen hier eine entscheidende Rolle zum Wohlfühlen und sich sicher fühlen.
Faktor 4: Die Patientencharakteristika
Die Patientinnen und Patienten bringen verschiedene Eigenschaften mit sich. Dazu gehören Symptome wie Wahnvorstellungen, Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung und die grundsätzlich unterschiedlichen Biografien.
Faktor 5: Die regulatorischen Rahmenbedingungen
Für die Unterbringung in psychiatrischen Kliniken gibt es zahlreiche Regeln und Gesetze. An diese sind die Mitarbeitenden gebunden und erhalten Bestimmungsgewalt und Verantwortung gegenüber dem Patienten und der Patientin.
Faktor 6: Das Stationsteam
Das Team verwaltet Regeln, ist Ansprechperson für die Patientinnen und Patienten und geht auf Bedürfnisse ein. Dabei kann sich das Team gegenseitig unterstützen und auf unterschiedliche Anliegen und vorhandene Regeln eingehen.
Wir sind überzeugt, dass die einheitliche Umsetzung des Safewards Modells in unserer Klinik den Stationsalltag positiv beeinflusst und zu einer harmonischen Atmosphäre zwischen den Mitarbeitenden und Patienten/innen beiträgt.
Katharina Zündorf