"Ist die Tür wirklich zu?" – Zwangsstörungen
Ist der Herd aus, die Tür zu, das Bügeleisen abgestellt? Sind die Hände, der Boden, der Tisch wirklich sauber?
Häufig sind magische oder willkürliche Regeln entscheidend, die der Betroffene im Rahmen seines „Zwangssystems“ aufgestellt hat.
Effektives Verhalten ist ritualisierter Natur: Wir tun das, was wir gut und zuverlässig können, auf eingeübte, stereotype Weise. Man kann das daran erkennen, dass neues, innovatives Verhalten sehr viel schwieriger und fehleranfälliger ist. Von Zwangsstörungen sprechen wir, wenn der Versuch der Ritualisierung schief geht: Versuche, ein Ziel handelnd zu erreichen, scheitern, weil sich die eingesetzten Beruhigungs- und Kontrollstrategien als unwirksam erweisen bzw. das Gegenteil bewirken – anstatt sicherer zu werden, wird der Betroffene immer unsicherer.
Das Spektrum zwanghaften Verhaltens ist breit. Die offiziellen Diagnosen reichen von Körperdysmorpher Störung, Pathologischem Horten („Messie-Syndrom“), Trichotillomanie (Pathologisches Haareausreißen), Dermatillomanie (Pathologisches Hautzupfen/-quetschen), Substanz-/Medikamenteninduzierte Zwangsstörung und Zwangsstörung aufgrund eines anderen Medizinischen Krankheitsfaktors bis zur klassischen Zwangsstörung (vgl. DSM-5), auf die wir uns im Folgenden beschränken.
Zwangsstörungen sind durch Obsessionen, d.h. störende, unerwünschte und als irrational erachtete wiederkehrende Gedanken, Vorstellungsbilder oder Impulse charakterisiert, auf die der Betroffene mit Zwangshandlungen reagiert. Mit Zwangshandlungen sind stereotype Verhaltensweisen oder mentale Handlungen gemeint, mit denen der Betroffene glaubt, den befürchteten Schaden abzuwenden oder seine ängstigenden Obsessionen abstellen bzw. kontrollieren zu können.
Im Zentrum des Problems steht die subjektive Unfähigkeit, die unwillkürlichen Sorgen, Ängste und Befürchtungen, die die Zwangsstörung antreiben, anders als durch die eingeübten Zwangsrituale zu bewältigen. Es ist deshalb zunächst einmal wichtig, die Erfolglosigkeit des pathologischen Musters zu durchschauen und hilfreiche Alternativen zu erkennen.
Entscheidet sich der Betroffene für den neuen Weg, so beginnt eine Konfrontationstherapie: In täglichen Übungen lernt der Patient unter engmaschiger therapeutischer Anleitung und Unterstützung, die Zwangshandlungen ab- und neues Bewältigungsverhalten im Umgang mit seinen jeweiligen kritischen Situationen aufzubauen. Dieses Vorgehen sollte alle Bereiche des individuellen Zwangssystems einbeziehen und möglichst intensiv – zunächst unter therapeutischer Anleitung und dann zunehmend selbstkontrolliert - durchgeführt werden. In einer zweiten Phase der Therapie geht es darum, die Hintergrundkonflikte und Unsicherheiten, die als Triebfeder des Zwangssystems anzusehen sind, zu lösen bzw. durch Neuorientierung, Akzeptanz und das Erlernen neuer Bewältigungsstrategien außer Kraft zu setzen. Bei vielen von Zwängen betroffenen Personen befinden sich die schwierigsten Situationen im häuslichen Umfeld, weshalb ein nicht unwesentlicher Teil der Therapie in der EOS-Klinik darin besteht, Bewältigungsverhalten trainierende Übungen unter therapeutischer Anleitung im Hause des Patienten durchzuführen.