Emotionale Instabilität (Borderline-Persönlichkeitsstörung)
Emotionale Instabilität ist häufig und geht mit teils erheblichen Beeinträchtigungen der psychischen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung einher.
Der Störung liegt eine emotionale Überempfindlichkeit für soziale Situationen – insbesondere mit signifikanten Anderen – zugrunde. Auf der Grundlage besonderer Temperamentseigenschaften und ungünstiger früher Beziehungserfahrungen bildet sich eine „Hyperreagibilität des Bindungssystems“ heraus, die schnell zu emotionalem Aufruhr, ungünstigem Sozialverhalten und inadäquaten Selbstberuhigungsstrategien führt .
Wie bei allen sogenannten Persönlichkeitsstörungen steht auch bei der BPS ein überdauerndes Muster schwieriger zwischenmenschlicher Beziehungen im Vordergrund. Die im frühen Erwachsenenalter manifest werdende BPS geht mit instabilen persönlichen Beziehungen, Gefühlsregulationsdefiziten, Störungen des Selbstbilds, erheblicher Irritabilität und auffälligen Selbstschädigungen einher.
Von besonderer Bedeutung für die formale Diagnose sind dabei die folgenden Symptome (vgl. DSM-5):
- Starkes Bemühen, tatsächliches oder vermeintliches Verlassenwerden zu vermeiden;
- Intensive, aber instabile zwischenmenschliche Beziehungen; Wechsel zwischen Überidealisierung und Entwertung;
- Identitätsstörung: unsicheres, instabiles Selbstbild bzw. Selbstwertgefühl;
- Potenziell selbstschädigende Impulsivität: Geldausgeben, Sex, Genussmittelkonsum, Autofahren, Essanfälle etc.;
- Häufige Selbstverletzungen, Suiziddrohungen oder suizidale Handlungen;
- Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmungslage;
- Chronisches Gefühl der Leere;
- Unangemessene, heftige, oft schwer kontrollierbare Wut;
- Unter Belastung können paranoide Vorstellungen und dissoziative Symptome auftreten
Auch wenn die genauen Ursachen unbekannt sind, steht fest, dass Temperamentsfaktoren und ungünstige Entwicklungsbedingungen eine Rolle spielen: Die Blutsverwandten der Betroffenen weisen meist ebenfalls Merkmale eines irritierbaren und impulsiven Temperaments auf; zudem finden sich häufig gravierende psychosoziale Belastungen in der Vorgeschichte. Nach unserem Verständnis resultieren diese Bedingungen in der Entwicklung eines überaktiven Bindungssystems.
John Bowlbys Theorie des Bindungssystems besagt: Wir alle sind (als Vertreter einer sozialen Spezies) von der Zuwendung und Unterstützung anderer abhängig. Wenn wir in Not geraten, veranlasst uns unser Bindungssystem, Sicherheit durch Nähe zu suchen. Der individuelle (Bindungs-)Stil, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll, hängt maßgeblich von den Bindungserfahrungen mit der primären Bindungsfigur ab.
Ein überaktives (zugleich instabil arbeitendes) Bindungssystem erreicht sein Ziel – Sicherheit durch Nähe - nicht. Es springt einerseits leicht an (starke emotionale Reagibilität, häufige Verliebtheit etc.), reagiert andererseits häufig paradox (Wut, Abstoßung): Die Betroffenen fühlen sich (gerade von der Bindungsfigur) schnell zurückgewiesen und verletzt und reagieren darauf mit Protest und beziehungsschädigendem Verhalten. Die „Achterbahn der Gefühle“ weist bei der BPS eine extreme Streckenführung auf, die zu häufigem Entgleisen führt. Die Hartnäckigkeit der Problematik rührt daher, dass man einerseits das Bindungssystem nicht abschalten kann und deswegen infolge ständiger Krisen dauernd Sicherheit durch Nähe sucht. Andererseits kommen die Betroffenen mit Nähe und den resultierenden Gefühlen schlecht zurecht. Sie tun sich schwer, unter diesen Bedingungen ein realistisches und zugleich optimistisches Selbstbild zu entwickeln.
Es handelt sich um ein intensives, strukturiertes verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm, an dem sowohl stationäre als auch teilstationäre Patienten teilnehmen können. Das Programm integriert Elemente dreier störungsspezifischer, evidenzbasierter Behandlungsansätze: der Schematherapie (Young, Roediger), der dialektisch-behavioralen Therapie (Linehan) und der mentalisierungsbasierten Psychotherapie (Bateman, Fonagy). In einer Stunde Einzeltherapie/Tag und 16 Stunden Gruppentherapie pro Woche wird an individuell vereinbarten Behandlungszielen gearbeitet, die jede Woche überprüft und vertieft werden.
Wesentlich für die Teilnahme an diesem Angebot ist die Bereitschaft, Problemverhalten abzubauen. Zu den wichtigsten Therapiezielen zählen verbesserte Spannungs- und Emotionsregulation, Aufbau von Stresstoleranz, Förderung der Selbstakzeptanz und der Selbstfürsorge, Verbesserung interaktioneller Kompetenzen, Förderung von Achtsamkeit und Mentalisierungsfähigkeit sowie des Erkennens lebensgeschichtlicher und unmittelbarer Belastungsfaktoren und Problemmuster. Im Verlauf der Behandlung werden weiterhin Perspektiven zur Bewältigung von psycho-sozialen Problemen entwickelt. Dabei werden Partner und Familien regelhaft einbezogen.