Dr. Christopher Kirchhoff und Tanja Gellermann erläuterten 120 Gästen die „Hochsensibilität“:
Sie gehen mit fein geschärften Augen und Ohren durch die Welt, nehmen Reize aus allen Richtungen intensiv und vielschichtig war, sind ständig mit dem Sortieren, Einordnen und Bewerten dieser Einflüsse beschäftigt und am Ende dann schnell überflutet und erschöpft:
Keine Frage, der Alltag von hochsensiblen und damit permanent „auf Empfang“ lebenden Menschen, von denen es hierzulande 15 bis 20 Prozent gibt, erscheint anstrengend. Dafür oft aber auch bunt, differenziert und eben sehr intensiv.
Doch vor allem für hochsensible Kinder berge das ständige „auf Draht sein“ viele Herausforderungen, stellte die Expertin Tanja Gellermann beim jüngsten Alex Talk anschaulich dar. Insofern sei das Wissen und gutes Rüstzeug für den Umgang mit ihrem besonderen Temperament sehr hilfreich.
„Die Kinder schildern mir, dass sie sich manchmal wie eine Raupe mit tausenden Haaren fühlen, die immerzu berührt werden. Oder mit einer Satellitenschüssel auf dem Kopf durch die Welt gehen, die ständig alles um sie herum einfängt“, erläuterte die Heilpraktikerin für Psychotherapie und Traumatherapeutin, die als Sensitiv Coach auch Fortbildungen für Lehrer, Eltern und Pädagogen zu diesem Thema leitet.
Sie wie auch ihr Co-Referent Dr. Christopher Kirchhoff, Chefarzt der Alexianer Don Bosco Klinik und Tagesklinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie, betonten aber deutlich, dass es sich keineswegs um eine Erkrankung handele, sondern um ein ererbtes Temperament, dessen viele positiven Potenziale es zu erkennen und richtig zu steuern gelte.
„Andersherum können wir in der klinischen Rückschau auf eine Lebensgeschichte manchmal erkennen, dass gerade der vielleicht verkannte erhöhte Stressfaktor, dem hochsensible Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, verbunden mit einem weiteren einschneidenden Erlebnis (Life Event) wie zum Beispiel Umzug, Schulwechsel oder Trennung dann tatsächlich zum Auslöser für eine psychische Erkrankung werden kann“, skizzierte der Klinikchef die Brücke zum klinischen Kontext.
Eine lebhafte Vorstellungskraft und damit viel Kreativität, ein starker Gerechtigkeitssinn und damit der Hang, vieles zu hinterfragen, großer Perfektionismus und damit hohe Ansprüche auch an sich selbst sowie vernetztes Denken und natürlich die erhöhte Wahrnehmung mit allen Sinnen seien typische Wesensmerkmale der Hochsensibilität.
Und was hilft Eltern oder auch Partnern, mit diesen Eigenschaften gut umzugehen? „Seien Sie vor allem authentisch, denn ihre Kindern merken sofort, wenn Sie es nicht sind“, empfahl die Expertin und betonte: „Bauen Sie viel Struktur und Ruhephasen in den Alltag Ihrer Kindern ein und schaffen Sie weiche Brücken und Rituale zwischen ihren Erlebniswelten wie Schule, Hobbys oder Freizeitaktivitäten.“
Auch sei es hilfreich, mit den Kindern viel über ihre Emotionen zu sprechen, da sie das Handeln oft dominierten. „Lernen Sie Ihren Kindern, auch mal ganz bewusst bei sich zu sein“, lautete zum Beispiel der Trick mit dem vorgestellten Känguruh-Schwanz, um sich für einige Sekunden bewusst auf sich selbst und die eigene Stabilität zu konzentrieren.
Auch in der Schule gebe es für hochsensible Kinder längst erprobte Hilfen wie zum Beispiel Kopfhörer für die Stillarbeit oder das Zeigen der eigenen Kompetenzen auf zusätzlichen Wegen, etwa durch zuhause in Ruhe vorbereitete Referate oder ähnliches.
Letztlich könnten diese und weitere Brücken nach Ansicht der Referentin dann ganz klar eines bewirken und unterstreichen: nämlich das „Anderssein“ nicht als Last, sondern als große Bereicherung zu empfinden!