Alexianer-Expertinnen Dr. Doris Sewing und Dr. Diane Lange informierten über postpartale Depressionen.
Für die meisten Frauen ist die Geburt ihres Kindes ein großer Glückmoment, für jede 10.Mutter allerdings der Beginn einer schwierigen Zeit und Krankheit: „Depressionen von Müttern sind leider immer noch ein riesiges Tabu-Thema“, stellte Dr. Doris Sewing ihren Ausführungen voran. Die Chefärztin der EOS-Klinik für Psychotherapie stellte gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Diane Lange das Krankheitsbild der postpartalen Depressionen und Möglichkeiten der Behandlung vor.
„Die Geburt eines Kindes ist eine maximal lebensverändernde Situation und nichts darum herum ist eigentlich wirklich vorhersehbar“, skizzierte die EOS-Expertin die einfach schwer kalkulierbare Ausgangssituation. Von Komplikationen in der Schwangerschaft, sozialen Belastungen, Beziehungsproblemen bis hin zu Traumatisierungen rund um die Geburt gebe es viele Faktoren und Stressoren, die einzeln, aber auch in ihrer Summe eine Depression in oder nach der Schwangerschaft auslösen könnten. „Auch wie sich beispielsweise wochenlanger Schlafmangel oder eine täglich erlebte Hilflosigkeit bei der Versorgung des Babys anfühlt, kann man sich als Außenstehender schwer vorstellen, doch die Anforderungen an eine Mutter sind insgesamt groß“, bemerkte Sewing. Schuld- und Schamgefühle oder eine beginnende Isolation seien dann oft die Folge der allgemeinen Erwartung, eine Mutter habe nach der Geburt eben „glücklich zu sein“.
In jedem Fall müsse der exakten Diagnose eine Abgrenzung zu anderen psychischen Auffälligkeiten oder Erkrankungen wie etwa einer Psychose oder Zwangsstörung vorausgehen. Auch der so bekannte Babyblues, der in der Regel drei bis fünf Tage nach der Geburt aufgrund des starken Hormonabfalls bei manchen Müttern aufkomme, sei grundsätzlich kein Grund zur Sorge und weitgehend als normale Anpassungsreaktion einzustufen. Allerdings: „Ist die Mutter sehr stark von den so genannten Heultagen nach der Geburt betroffen oder hatte sie zuvor schon häufiger depressive Phasen, kann das schon die Wahrscheinlichkeit für eine postpartale Depression erhöhen“, so Sewing.
Anders als bei den sonstigen Depressionen kommt der frühzeitigen Behandlung nicht nur für die Mutter selbst, sondern zugleich auch im Hinblick auf die Kindesentwicklung eine große Bedeutung zu. Denn als Bindungsperson diene die Mutter beispielsweise auch als externe Regulation beim Kind, dazu müsse sie aber grundsätzlich auch sensitiv für die Signale des Kindes sein. „Bei einer depressiv erkrankten Mutter kann die Fähigkeit, feinfühliges Verhalten zu zeigen, allerdings stark eingeschränkt sein“, verdeutlichte Lange. Eine weniger kindgerechte Ansprache, weniger mimischer Ausdruck, weniger Körperkontakt, all` das wirke sich auf die Reaktion und Entwicklung des Kindes aus. Die Kinder reagierten mit erhöhtem Stress, Weinen und auch Rückzug ihrerseits – ein sich wechselseitig aufschaukelnder Teufelskreis.
In der Therapie sei bei leichten und mittleren Erkrankungen die Psychotherapie wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie in Form der Mutter-Kind-Interaktionstherapie über videogestützte Methoden die erste Wahl. In schweren Fällen sei eine pharmakologische Behandlung ratsam. Hierzu stünden einige wenige auch für stillende und werdende Mütter zugelassene Antidepressiva zur Verfügung. „Aber auch Sport, Ausdauertraining, Entspannungsverfahren oder Lichttherapie sind immer gute ergänzende Möglichkeiten“, so die beiden Expertinnen. Talk zum Nachschauen unter: www.alexianer-muenster.de/unternehmen/aktuelles/mediathek