„Sex im Alter - alles andere als spaßlos und unerfüllt“

Mehr als 100 Interessierte lauschten dem Vortrag über die „Liebe im Alter“, der sich Klinikleiter Dr. Michael Enzl (Alexianer Münster) unter der Moderation von WN-Redakteur Stefan Werding (l.) mit viel Information und dem nötigen Humor widmete. (Foto: A. Große Wöstmann)

Alex Talk: Mehr als 100 Interessierte lauschten Dr. Michael Enzl (Alexianer Münster) zum Thema "Liebe im Alter".

Unanständig, unattraktiv und eh` ab 60 aufwärts kein Thema mehr..." - keine Frage, die gesellschaftlichen Vorurteile über Sexualität im Alter sind noch immer existent und die Tabuisierung noch vielfach spürbar.

"Doch Fakt ist, dass die schönste Nebensache der Welt niemals aufhört und das Verlangen bis ins hohe Alter da ist", betonte Dr. Michael Enzl beim jüngsten Alex Talk. Für den Ärztlichen Leiter der Alexianer Damian Klinik für Gerontopsychiatrie und auch seine mehr als 100 aufmerksamen Zuhörer also Grund genug, sich der "Lust am Leben und Lieben der Generation 60+" einmal sehr umfassend zu widmen.

Und mit seiner anfänglichen humorigen Ankündigung: "Achtung, wir sprechen heute nicht nur über die Liebe, sondern auch über Sex!", ließ der versierte Referent in der Tat an diesem Abend keinen Randbereich unerwähnt und durchleuchte das Thema sehr fachmännisch und ebenso erheiternd aus vielen Perspektiven und wissenschaftlichen Quellen.

Rund einmal im Monat hätten die 60 bis 70-jährigen nach dem so genannten statistischen "Normwert" Geschlechtsverkehr und auch bei den noch Älteren gehöre die Sexualität - je nach Gesundheit und Partnerschaft - oft auch bis ins höhere Alter ganz normal zu den alltäglichen Bedürfnissen im Leben: "Bei immerhin noch mehr als die Hälfte der 75-jährigen sei zum Beispiel das Verlangen nach Sexualität vorhanden". Gleichwohl veränderten sich das Liebesleben und auch die konkreten Wünsche nach Sexualität im Lauf des Lebens ganz natürlich, was aber nicht zwingend mit Lusteinbuße einhergehe.

"Doch wenn man konkrete Lustbremsen benennen sollte, so stünden hier bei den Männern einschränkende Statusmerkmale wie Arbeitslosigkeit oder niedrigeres Einkommen an erster Stelle, während bei den Frauen eher emotionale Probleme, Stress, die Angst vor Ablehnung oder auch eine geringe Partnerschaftszufriedenheit den Lustfaktor trüben könnten. Auch die konkreten eintretenden körperlichen Veränderungen und möglichen funktionellen Störungen ließ der Referent nicht unerwähnt, ermunterte aber zugleich: "Akzeptieren Sie die physischen Veränderungen, denn die sexuelle Attraktivität und Erlebnisfähigkeit beeinträchtigen sie keineswegs. Vielmehr begehren wir das, was uns vertraut ist. Ebenso gab er auch einen Überblick über alle gängigen Hilfsmittel, betonte aber immer wieder auch: "Es ist und bleibt eben auch eine Kopfsache, denn Viagra und andere Erektionshilfen können niemals die Lust an sich steigern".

Und auch ein anderes Thema gehörte für den Klinikleiter an diesem Abend unbedingt mit erwähnt: Die Sexualität im Heim: "Hier tut sich glücklicherweise in den Köpfen von Heimleitungen und Pflegepersonal und auch bei den Rahmenbedingungen immer mehr, denn es ist für die Lebensqualität der Bewohner ein genauso wichtiger Faktor wie in den eigenen vier Wänden". Nach so viel Informationen und Aufräumen mit so manchen Irrtümern war am Ende nicht nur für den Referenten klar: "Sexualität im Alter sollte noch viel mehr ein selbstverständliches und schönes Thema sein, denn oft ist es sogar um einiges entspannter und mindestens genauso genussvoll wie in jüngeren Jahren!"