"Melancholie des Reisens"

Michael Roes

Datum: 22.06.22, 19.00 Uhr

Veranstaltungsart: Autorenlesung

Mit Michael Roes

Aden, den 26.12.2009. Abend für Abend begegne ich im Café Sakran einer Gruppe von fünf, sechs gehörlosen Jugendlichen, die sich, vollkommen abgeschottet von ihrer lärmenden und auf sie herabblickenden Umgebung, hier nach der Schule oder ihrer Arbeit treffen und sich in Gebärdensprache unterhalten. Ihre Gesten sind voller Anmut, Kraft und körperlicher Präsenz, wie ich sie selbst bei herausragenden Schauspielern nur selten erlebt habe. (...) Was besitzen diese Jugendlichen, was andere nicht haben, und was können sie mir über das Land, in dem sie leben, erzählen, von dem die Hörenden nie gehört haben?

Reisen ist für Michael Roes Leidenschaft, Lebensform und Geisteshaltung. Meisterhaft verwebt der Autor in seinem essayistischen Roman selbst Erlebtes und Erlittenes mit den niedergeschriebenen Erfahrungen seiner Vorgänger und es wird spürbar, dass die Reise auch für ihn selbst zu einer buchstäblich existentiellen Prüfung wird, die er nur um Haares Breite überlebt. Er läßt uns teilhaben an tiefen Reflexionen über sich selbst, an seiner verletzten Körperlichkeit genauso, wie an tiefem Berührtsein durch menschliche Begegnungen.

Michael Roes, geboren 1960 in Rhede, studierte Psychologie, Philosophie und Germanistik. Roes hat 13, mit vielen weiteren Preisen bedachte Romane verfasst, neben zahlreichen Film- und Theaterarbeiten. Im Mittelpunkt seines Werks stehen seine oft monatelangen Reisen in entlegenste Gebiete der Erde (Afrika, Asien, Südund Osteuropa), die ihn bewusst an die Grenzen seiner psychischen Aufnahmefähigkeit brachten.