Alexianer-Chefärztin Univ.-Prof. Dr. med. Judith Alferink berichtet vor 120 Interessierten über Aktuelles aus der Forschung:
„Mit rund fünf Millionen Betroffenen in Deutschland sind die Depressionen ein sehr verbreitetes und unbedingt zu behandelndes Seelenleid, gehören heute leider aber auch immer noch zu einer stigmatisierten Erkrankung“, stellte Prof. Dr. Judith Alferink ihren Ausführungen grundlegend voran. Und der übervolle Vortragssaal in der Waschküche unterstrich darüber hinaus: Das Interesse an neuen Möglichkeiten und Wegen in der Behandlung ist groß.
Vor mehr als 120 Zuhörern berichtete die Alexianer Chefärztin von den Zusammenhängen zwischen dem Immunsystem und der Psyche, denen sie sich als Leiterin der Forschungsgruppe für Immunbiologie psychischer Erkrankungen am Universitätsklinikum Münster seit einigen Jahren intensiv widmet.
In sehr anschaulicher Weise erläuterte sie dabei das komplexe Zusammenwirken unseres Immunsystems und auch die neue Richtung, an der sie und ihr Forscherteam im Bereich der Depressionen arbeiten:
„Zahlreiche Studien haben festgestellt, dass auch unser Gehirn in das gesamte Immunsystem eingebunden ist und beispielsweise auch bei Depressionen eine eigene Immunantwort gibt.“ Konkret betrachten sie und ihr Ärzteteam dabei eine spezielle Art von Fresszellen, die Mikrogliazellen. Alferink: „Diese Zellen können bei einer Bedrohung aktiviert werden und dadurch Entzündungsprozesse fördern und Botenstoffe aussenden, die den Nervenzellen schaden: „Genau dies ist beispielsweise sichtbar bei Depressionen und wir haben in Laborversuchen einen Zusammenhang zwischen Stress, chronischer Entzündung und Depression nachweisen können“, erläuterte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
So gebe es hierzu wichtige aktuelle Erkenntnisse: Erleide ein Kind etwa schon in jungen Jahren dauerhaften Stress durch Gewalt oder andere Formen der Traumatisierung, so könne dies über Jahre hinweg zu feinen Veränderungen in der Immunantwort führen und später schließlich auch zu einem erhöhten Risiko für eine Depression. Insbesondere bei depressiv erkrankten Menschen, bei denen eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva mäßige oder gar keine Verbesserungen erziele, sei der geschärfte Blick auf die entzündlichen Prozesse im Gehirn eine bereichernde neue Richtung mit eventuell möglichen neuen Therapieansätzen.
„Doch grundsätzlich stehen wir hier noch zu weit am Anfang in der Forschung, um unsere neuen Erkenntnisse unmittelbar in Form von neuen Therapien durch zum Beispiel anti-entzündliche Medikamente beim Menschen umzusetzen“, betonte Alferink. Was neue Forschungsansätze aber in jedem Fall schon jetzt bestätigen, sei jedoch eine andere grundlegende Feststellung: „Zukünftig werden wir bei der Behandlung von Depressionen noch viel gezielter die individuellen immunbiologischen Ursachen und in Folge dessen auch sogenannte individualisierte Behandlungsstrategien für jeden einzelnen Patienten ins Visier nehmen.“